ROLAND SCHÄR

 

 

 

 

 

REISESYNDROM by

 

ROLAND SCHÄR sind Begriffe wie Transformation, Migration und Metissage von wesentlicher Bedeutung. Er lotet Zwischenräume aus, Zwischenräume der Malerei wie auch der Alltagskultur. Der Raum zwischen zwei Formen betrachtet er nicht als Distanz oder Leere, sondern als Potential neuer Formen (cf die zeichnerische Arbeit "Anatomien", oder die Objekte des "Hypothesentisches"). Die Zeit kann in ihrer Linearität umgestülpt werden, kulturhistorische Referenzen und persönliche Erfahrungen in neue Zusammenhänge gebracht werden ("Forage: creusons l'avenir" und "Desorientierungstisch").

Der Betrachter projeziert seine eigenen Welten und Bilder und wird selber zum Reisenden in den Zwischenräumen der Formen.

 

 

 

 

 

<-Hypothesentisch und Desorientierungstisch ->

 

hrend das Umspannwerk einst das Zentrum eines Spannungsfeldes bildete, erzeugt Roland Schär ein solches innerhalb des Hauses, mit Eingriffen an verschiedenen Orten in ihm. Seine Orientierungstische sind jenen oft mit einem Fernrohr kombinierten, die wir ebenfalls an beliebten Aussichtspunkten finden, nachempfunden. Doch sie ermöglichen, wo sie sich nicht oder nicht eindeutig betreten lassen, höchstens den Blick nach innen; und ohnehin sind auf ihnen nicht die Profile ewiger Berge verzeichnet, sondern Symbole der Vanitas, die uns auf unsere eigene Vergänglichkeit verweisen. Wenn wir die wirkliche Reise in die Innenstadt von Singen antreten, macht uns dort ein weiterer Tisch die Aktualität solcher Orientierungs- und Standpunktlosigkeit angesichts eines Ueberangebots oft entbehrlicher Konsumgüter noch bewusster. Eine vertikal durchs ganze Haus führende Streifenzeichnung wirkt wie ein Aufbrechen seiner Wände, macht, an unerwarteten Orten wieder auftauchend, seinen Aufbau als höchst unsichere Ordnung bewusst. Die hintereinander gestaffelten Wandzeichnungen des "Partikelraums" dynamisieren ihn und lösen seine Konturen mit sich verdichtenden chaotischen Strukturen, die auch als eine Art Schneegestöber lesbar sind, auf, verleihen ihm mit der Farbperspektive der traditionellen Landschaftsmalerei grössere Tiefe. Eine Reihe von Zeichnungen nimmt das Rundformat des Fernrohrblicks auf, mit einem irritierenden Kippeffekt, denn wir wissen nicht recht: Ist es etwas Grosses, das wir da von ferne, etwas Kleines, was wir von ganz nah erkennen - astronomischer Blick ins nächtliche All oder mikroskopischer in eine Kleinlebewelt? Die auf dem "Hypothesentisch" ausgebreiteten Seifen- und Wachsobjekte schliesslich vermitteln in ihren schwer deutbaren Formen eine typische Reise-Erfahrung: die Begegnung mit einer unverständlichen Kultur, die sich uns aus der gegenseitigen Zuordnung repräsentativer, aber zunächst nicht benennbarer Gegenstände allmälich erschliesst. Auch an Körperorgane mögen wir erinnert werden: an unsere eigenen inneren, die wir als Teil von uns selber doch nie zu Gesicht bekommen.

Martin Kraft, in Katalog "Die fünfte Himmelsrichtung", Singen 1997

 

 

Forage: Creusons l'avenir (1998)

 

 

Einzelausstellungen (Auswahl)

1991 Espace d'art contemporain Cimaise&Portique, Albi (F); 1994 "Vanités", Centre Léonard de Vinci, Toulouse (F); Martha Stevns Gallery, Fressingfield (GB); 1995 "Handle With Care", Scène Nationale, Albi (F); 1997 "Eloge de l'autopsie", Ecole des Beaux-Arts, Lleida (E); 1998 Le Parvis - centre d'art contemporain, Ibos/Tarbes (F); Centre d'art Passerelle, Brest (F)

 

 

Hypothesentisch, 1997(Aluminium, Seife, Wachs)

 

Anatomien, 1997

Gruppenausstellungen

1993 SAGA, Paris (F); 1996 SAGA, Paris (F); 1997 "Die fünfte Himmelsrichtung", Kunstmuseum Singen (D); 1998 "Reisesyndrom", Palais Besenval, Solothurn(CH); "V.O.", Musée d'art contemporain, Lyon (F); "A corps perdu", Espace d'art contemporain Cimaise&Portique, Albi et Toulouse (F)

 

 

 

Anatomien, 1997 (50 Gruppen von Zeichnungen)

 

 

TRACES

Seit seiner Serie der Vanités (gemalte Objektakkumulationen, 1994/95), ist Roland Schärs Arbeit ein Befragen der Malerei. Das Erforschen von Zwischenräumen, das im Erschaffen und Ordnen von Mischobjekten (Anatomien, 1996; Hypothesentisch, 1997; Desorientierungstisch, Introspektionstisch, Migrationstisch, 1997/98) oder in den Einschnitten Form gefunden hat (1996, Wandzeichnungen, die die Tiefe der Mauer untersuchen), wurde weitergeführt zu einem Befragen der Materie (mit Wandzeichnungen wie die Partikel, 1997/98, oder den grossformatigen Tondos der Serie der Intervalle, 1997/98).

Die Arbeiten, die Roland Schär in Solothurn zeigt, gehen von bekannten Bildern aus - u.a. Das Frühstück, von Boucher; Das Selbstportrait mit verbundenem Ohr, von Van Gogh; Die Olympia, von Manet; Das Portrait der Herzogin von Alba, von Goya, etc - in denen er gewisse strukturierende Elemente isoliert und die so mit einer autonomen Existenz ausserhalb jeglichen Repräsentationssystemen auftreten.

Das Subjekt verwischt sich, das Zurücktreten der Figuren lässt Flächen erscheinen, die disparate Elemente des Werkes miteinander verbinden, innerhalb einer Figur, oder zwischen der Figur und Teilen ihrer Umgebung.

Roland Schärs Blick auf das Ausgangswerk lässt dessen diskursive Dimension beiseite, um sich auf unerwartete Elemente der Komposition zu konzentrieren, ohne sich allerdings bei einer kritischen Analyse aufzuhalten. Die Flächen, die er in die Werke einzeichnet, wachsen eher dank Analogie, Permeabilität oder Kontamination zwischen den Formen denn nach einer explikativen Logik.

Die so erstellten bildnerischen Felder erscheinen als klar umgrenzte Räume, die aus den Figuren hervorgehen und deren plastische Unterschrift sie sind.

Verselbständigt und auf Plexiglasplatten übertragen, erscheinen die gezeichneten Formen - ein Schein, der die Dichte der Materie erleuchtet - wie die Spuren dieser Figuren in der Malmaterie.

Diese monochromen, praktisch radiographischen Abdrücke, uns, mit einer mediumhaften Akuität an unvermutete, in den Ausgangswerken verhandene Präsenzen erinnernd, vergegenwärtigen den Zwischenraum, der das Subjekt des Bildes (die Figur) mit seinem Objekt (« un assemblage de couleurs sur une surface plane ») verbindet.

Jean Viala, August 98

Malerei hinter Plexiglas, 100x50 cm, 1998

Blick in den Ausstellungsraum

 

TRACES

Depuis sa série de Vanités (peintures d'accumulation d'objets, 1994/95), le travail de Roland Schär se développe autour d'une réflexion sur la peinture. Son exploration des « espaces intermédiaires », qui s'est contrétisée dans ses expériences de création et de classement d'objets métis (Anatomies, 1996; Table d'hypothèses, 1997; Tables de désorientation, d'introspection et de migrations, 1997/98) ou dans ses Incisions (1996, dessins in situ de mise à nu d'une profondeur imaginaire du mur), s'est poursuivie dans des recherches sur la présence de la matière (avec des oeuvres murales in situ comme les Particules, 1997/98, ou les tondos de grand format de la série des Intervalles, 1997/98).

Parallèlement, son work in progress Forage: creusons l'avenir questionne le rapport de la peinture au temps (quel est le temps de la peinture? comment s'inscrit-elle dans le temps? qu'est-ce qu'une peinture du temps?).

Le travail que Roland Schär montre à Soleure s'élabore à partir de peintures - Le petit déjeuner, de Boucher; L'autoportrait à l'oreille coupée, de Van Gogh; L'Olympia, de Manet; ou Le portrait de la Duchesse d'Albe, de Goya, par exemple - dont il isole certains éléments structuraux qui s'imposent alors avec une existence autonome en dehors du système de représentation.

Le sujet se brouille, et le retrait des figures laisse apparaître des plages rassemblant des éléments disparates de l'oeuvre, à l'intérieur même d'un personnage, ou entre ce dernier et des parties de son environnement.

Le regard de Roland Schär sur l'oeuvre source en élimine la dimension discursive au profit d'éléments inattendus de composition, sans pour autant s'attacher à son analyse critique. Les territoires qu'il y dessine se forment par analogie, perméabilité, ou contamination plutôt que selon une logique explicative. Les champs picturaux ainsi produits se présentent sous forme de vacuoles délimitées à partir des personnages dont il forment alors en quelque sorte une signature plastique.

Détachées et reportées par une technique de pochoir sur des plaques de plexiglas, les formes dessinées - halos qui iradient l'opacité de la matière - apparaissent comme les traces de ces personnages dans la matière picturale.

Monochromes, ces empreintes quasi radiographiques renvoyent, avec une acuité d'ordre médiumnique, à des présences insoupçonnées sous-jacentes aux oeuvres sources, concrétisant cet espace intermédiaire qui relie le sujet de la peinture (la figure) à son objet même (« un assemblage de couleurs sur une surface plane »).

Jean Viala, Août 98

 

mail:roland.schar@wanadoo.fr